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Nastätter Anekdoten

nach Aufzeichnungen von Wilhelm Werner *1905 - 2005

Zur Einleitung

Ich, Wilhelm Heinrich Emil Werner wurde am 17. November 1905 als Sohn des Buchbindermeisters und Kaufmanns Wilhelm Karl Werner und seiner Ehefrau Marie Werner geb. Schenck in Nastätten geboren. Nastätten ist also meine Heimatstadt, mit der ich mich trotz vieler Jahre in der Fremde, beruflich bedingt, stets verbunden fühlte. So beschloss ich meine Lebensjahre als Rentner in meiner Heimatstadt Nastätten zu verbringen. Ich hatte nun Zeit meine Familiengeschichte zu schreiben und mich auch bei Erstellung der Stadtchronik zu beteiligen. Mit dieser Niederschrift will ich versuchen, eine Darstellung besonderer Ereignisse und Begebenheiten in und um Nastätten, die in der Chronik des Jahres 1992 (1100 Jahre Nastätten) nicht oder ggf. nur teilweise enthalten sind, zu geben. Es sind Erlebnisse und Begebenheiten aus der Zeit nach der Reformation, der Kaiserzeit. der Zeit nach dem 1. Weltkrieg bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, die teilweise unbedeutend, es aber wert sind, sie für die Mitbürger zu erhalten.

Reformierte und lutherische Gemeinde Nastätten

Im Jahre 1712 entstand in Nastätten eine reformierte Gemeinde ohne eigene Kirche, bedingt durch die von Kassel gelenkten Einwohnerzugänge reformierter Bürger. Es wurde nun zwischen den Lutheranern und den Reformierten ein Vertrag geschlossen, in dem der Gottesdienst in der luth. Hauptkirche wie folgt festgelegt wurde:
Wer sonntags den Gottesdienst vormittags feierte, vollzog den Folgegottesdienst sonntags nachmittags. Die lutherische Gemeinde hatte 1725 die alte Michaeliskapelle (heutiger Robert-Wagner-Platz) erworben und umgebaut. Sie wollte von Kassel mit deren Verordnungen und Zugeständnissen unabhängig sein. Um 1773 war die heutige St. Salvatorkirche reparaturbedürftig. In der 3-schiffigen Basilika wurden die Pfeiler wegen des besseren Lichteinfalles. veranlasst durch die luth. Gemeinde, verjüngt. Dieser Eingriff wurde fehlerhaft durchgeführt, so dass das Gewölbe, ein Werk romanischer Baukunst, einzustürzen drohte. Die Kirche wurde zwangläufig geschlossen. Die reformierte Gemeinde bat nun die Lutherische um Mitbenutzung der Kapelle. Diese verlangte hierfür eine Geldzuwendung und verbot zugleich die sakralen Handlungen nach dem Ritus der reformierten Kirche. Das fürstlich hessische Konsistorium zu Kassel verwarf im Juli 1773 diese Forderungen, und verlangte die bedingungslose Benutzung der Kapelle durch die Reformierten. Daraufhin blieb die Kapelle für die sonntägliche Nutzung zunächst geschlossen. Acht angesehene lutherische Gemeindemitglieder einschließlich Ratsbürgermeister Westerburg wurden am 4. Sept. 1773 auf der Festung Rheinfels (St. Goar) inhaftiert, und der damalige Pfarrer Ebenau zu 20 Reichstaler Strafe verurteilt. Am 22. Sept. 1773 wurde der Streit durch die Lutheraner beendet. Die luth: Gemeinde wurde zu 110 Reichstalern Geldstrafe verurteilt. Die Inhaftierten kamen frei.

Herzog Adolf von Nassau

Nastätten war 1866 preußisch geworden. Die alten Nassauer konnten ihren leutseligen Herzog Adolf von Nassau nicht so schnell vergessen zu dessen Ehren 1865 der Adolfsplatz benannt und eine Linde, die Adolfslinde gepflanzt wurde. Zwar weilte 1880 der Kronprinz Friedrich anlässlich eines Manövers (später Kaiser Friedrich III) in Nastätten, den man ebenfalls mit allen Ehren empfing. Mit Preußen jedoch konnte man sich immer noch nicht recht identifizieren. Deshalb lehnten die Bürger auch zunächst die Errichtung des Kriegerdenkmals des deutsch-französischen Krieges 1870/71 auf dem Adolfsplatz (Namensgeber war Herzog Adolf von Nassau) ab, obwohl Nastätter Bürger als aktive Soldaten (Inj'.Rgt.87) bei Weißenburg-Wörth an diesem Krieg teilgenommen hatten. Ein Stadtratsmitglied wollte das Denkmal mit seinem Fuhrwerk kostenlos zum Holler fahren, damit es jeder sehen könne. Erst der Regierungspräsident von Wiesbaden entschied anlässlich einer Inspektionsreise nach Nastätten, dass das Denkmal auf dem Adolfsplatz zu errichten sei, wo es heute noch steht.

Nastätten um die Jahrhundertwende 1900

Anfang 1900 wurde der langjährige ehrenamtliche Bürgermeister Christ durch den hauptamtlichen Bürgermeister Fahlsing abgelöst. Ihm hat Nastätten, sehr viel zu verdanken. Besonders die Metzger wurden angehalten, Schlachthäuser zu bauen, damit das Schlachten auf der Straße aufhörte. Die nach den Straßen zugewandten Abortanlagen sowie Misthaufen mussten verschwinden. Die Bahnverbindungen nach St. Goarshausen, Zollhaus und Braubach wurden durch die Nassauische Kleinbahn AG (1900-1903 eröffnet.
1909 entstand die Seidenweberei der Firma Kampf & Spindler und das Gaswerk wurde gebaut. Hierdurch wurde die Not vieler Bürger gelindert, die nunmehr einen festen Arbeitsplatz und somit über ein bescheidenes Einkommen verfügen konnten.
Die Verlegung der Wasserleitung und Kanalisation wurde begonnen. Die Straßen wurden gepflastert Die Stadt veränderte ihr Bild hin zum Positiven.

Das Kaiser-Manöver (nach Bericht meines Vaters)

1905 fand um Nastätten das große Kaisermanöver statt. Kaiser Wilhelm fuhr im Auto durch das reichlich geschmückte Städtchen zum "Endlichhofer Kopf", dem Punkt von dem man die Gefechtslage am besten übersehen konnte. In einem Grasgarten in Ruppertshofen nahm er mit seinem Gefolge ein Frühstück ein. Kronprinz Friedrich Wilhelm und sein Bruder Eitel Friedricb hatten einen Baum mit reifen Zwetschgen entdeckt, und ließen sich die Früchte schmecken. Majestät bemerkte dies und ließ den Besitzer des Grundstückes holen. Nach dessen Ankunft forderte er seine Söhne auf, den Eigentümer des Baumes für die Zwetschgen-Mahlzeit zu bezahlen. Er erhielt von beiden je ein Goldstück, damals sehr viel Geld. Sobald er außer Hörweite auf seinem Rückweg war bemerkte er: "For das Geld herre se se all fresse könne"

Die Nachbeichte (nach Bericht meines Vaters)

1911 war wieder ein Herbstmanöver im Raum Nastätten. Sämtliche Häuser hatten Einquartierung. Zwischen dem Haus Erndtmann (Teil des heutigen Arzthauses/ Amtsapotheke, Place Formerie) und dem alten Rathaus, hatte die Stadt ein Haus erworben, das im Volksmund die "Philippsburg" genannt wurde. In ihm wohnten Philipp Stüber, Philipp Steeg und Philipp Steinhäuser. Es galt als Armenhaus. Manövernacht herrschte dort großer Lärm. Ein Feldwebel überzeugte sich, dass keine Soldaten beteiligt waren, und ging in sein Quartier zurück. Was war geschehen?
Philipp Stüber hatte den Nachtwächter Heidecker beleidigt. Heidecker behauptete, dass er auch tätlich gegen ihn gewesen sei, was aber nicht zu beweisen war. Es kam zur Anzeige und zur Verhandlung beim Amtsgericht, wo Vater als Schöffe fungierte. Stüber wurde mangels Beweises freigesprochen. Nach einiger Zeit kam Philipp Stüber in Vaters Buchbinderladen in der Römerstraße. Vater gab ihm eine Zigarre und bat zu erzählen wie er (Stüber) so schnell an Heidecker herangekommen sei, zumal der Ausgang der Philippsburg nur über eine kleine Treppe und einen langen Gang zu erreichen war. Stüber antwortete: "Herr Werner, ich hon uf dem Gericht ihre 'Aache' angeseh, dass se mer net geglaabt hone. Es is jo vorbei, un se solle es erfaahn wie es war. Ich hatt en komme gehärt, wie e am Fenster gekloppt hot. Metsamt dem Fensterrahme bin ich rausgesprunge, un do harr ich en, und aus de Worzel eraus hon ich en geneeht. So warsch".

Turner auf zum Streite

1911 wurde ich eingeschult. Lehrerin war Fräulein Döhring, eine gute, gerechte aber sehr strenge Lehrerin. Unterricht war nachmittags von 2.00 bis 3.30 Uhr. Die letzte halbe Stunde war Singen. Fräulein Döhrings Lieblingslied war 'Turner auf zum Streite ...' Immer das Turnerlied hieß es hinter der vorgehaltenen Hand. "Mir singe das nächste mol was anneres" sagte 'Rücke Benni' nach dem Unterricht. Die nächste Singstunde kam. Vorher wurde einstudiert: 'Unser Katz hot Junge, sieben an der Zahl ...' usw. "das passt uff die Melodie" meinte der Benni. Dann wurde kräftig gesungen. Nach wenigen Takten mussten alle, die in der 1. und 2. Reihe saßen nach vorne kommen. 12 Mann nahmen eine gebückte Haltung ein. Fräulein Döhring sagte nur: "Damit ihr für die Zukunft wisst wie junge Katzen jammern, sollt ihr den Rohrstock spüren, solche Gassenhauer möchte ich als Gesang künftig nicht mehr hören". Eine schmerzhafte Erfahrung.

Schweinefutter (Vaters Erlebnisse uff de Gass)

Nach dem Schulunterricht war ein Menschenauflauf vor dem 'Hotel Guntrum' (heutige Shoppingmelle). Schnell wurde der Ranzen nach Hause gebracht und dort hingeeilt um zu sehen, was dort passiert war. Eine 4-Zentner-Sau lag quer zur Straße und weitere 3-4 Schweine verschiedener Größe über ihr. Große Beratung unter den zugeeilten Bürgern was zu tun sei: "Die müsse geschlacht wern, ehe se verrecke", war die Meinung der Mehrheit. Da erschien plötzlich 'Liesken' der Tierarzt Steuerwald. Nach eingehender Untersuchung gab er folgende Diagnose bekannt: "Die brauchen wir nicht zu schlachten, die sind total besoffen". Was war geschehen? Zindlers Knecht, der Bienches August, auch schon etwas angeschlagen, hatte das Trippelbier den Schweinen in die Tröge geschüttet und die Stalltüren offen gelassen. Die Tiere hatten sich in ihrem Zustand noch bis zur Straße geschleppt und fanden in ihrem Rausch nicht zum Stall zurück. Unter tatkräftiger Hilfe aller Nachbarn wurden sie in die Ställe geschafft. Gegen 5 Uhr begleitete ich meinen Vater zur Post. Im Hoteleingang stand der Besitzer, Herr Adomeit. Auf die Frage: "Was machen die Schweine?" Kam die Antwort: "Die sind noch besoffen".

Lehrerweisheit (mein Schulerlebnis)

Lehrer Manker las aus 'Ludwig Uhlands' Gedicht: 'Die Entdeckung Wildbads'. Eine Stelle des Gedichts lautet: 'Ein angeschossener Eber, der sich die Wunde wusch, verriet dereinst dem Jäger den Quell in Kluft und Busch. Frage des Lehrers "Was ist ein Eber?", tiefes Schweigen. "Wisst ihr dann was ein Watz ist?" Allgemeines Ja-Gebrüll. Dann merkt Euch: "Was ein Watz ist, das ist auch ein Eber".

Onkel Jakob der Holzmacher (ein Nastätter Original)

Der Onkel von Karl (Bambel) und Ludwig Oberländer, bekannt unter dem Namen 'Onkel Jakob' war ein Original. Bruder Franz betrieb eine Metzgerei auf der Römerstraße. Jakob half seinem Bruder vorwiegend in der Landwirtschaft, machte nebenher aber Geschäfte auf eigene Rechnung. Er war besonders misstrauisch jedem gegenüber, selbst die eigene Familie wurde da nicht ausgenommen. Außerdem war er sehbehindert, was die Lebensqualität erheblich einschränkte. So geschah folgendes beim Holzsägen. Albert Wiegand, der Nachbarsbub sah ihm bei dieser Arbeit zu. Frage an ihn: "Albert, bin ich noch net dorch des Holz?" - "Na Owwerlänner, ehr misst noch es bisje sä-e". Kaum gesagt, viel der Sägebock in 2 Teile. Onkel Jakob außer sich vor Wut: "Du Blechgickel (Alberts Vater war Spengler) du schmutzig Biebche von dem Wiegands Gretche, du Lausert läßt mich de 'Seebock' dorchsee-he".

Onkel Jakob und der Doktor

Eines Tages war Albert bei der Mutter von Karl und Ludwig in der Küche. "Mutter Owwerlänner wie geht's", war seine Frage. "Ach Albert, was hon mer en Ärjer met dem Jakob. Er is krank, läßt ka Mensch in die Stubb un mer kenne net sauber mache". Der Albert überlegte kurz und meinte: "Mutter Owwerlänner, wenn ich en große Kringel Flaaschworscht krieje, bring ich en aus em Bett". "Albert, wenn das fertisch bringst, griehste die Flaaschworscht". Albert ging gleich ans Werk. Er hing ein schwarzes Cape um und setzte einen Hut tief ins Gesicht. Dann klopfte er fest an die Tür des Schlafzimmers. "Wer is doo" rief Jakob. Albert ahmte die Stimme des alten Dr. Cathrein nach, und antwortete "de Dokter" - "Honn ich dich bestellt", war die Antwort vom Jakob. "No ich wern doch emol no der gucke derfe" sagte der Doktor. Er fühlte den Puls und meinte: "Es iss net so schlimm, ich honn der was verschriewwe, das kenne die Weibsleut in de Abbedeek hulle. Im iwwerigge dun ich der roote uffzesteh. Unne in de kich sinn se schon am dahle". Das reichte. Der Jakob war schnell in der Küche und es folgte ein Spektakel, der die Weibsleut aus der Küche trieb. Albert aber ließ sich seine Fleischwurst schmecken.

Onkel Jakob und die Geldspende

Sonntags ging der Jakob in die Kirche. Als der Klingelbeutel rund ging, suchte er aus dem zerschlissenen Geldbeutel ein Pfennigstück und steckte es hinein. Auf dem Heimweg gesellte sich Willi Recken zu ihm, redete aber kein Wort mit ihm. Am unteren Teil der Kirchgasse angekommen sagte Jakob zu Willi: "Du schwetzt jo nix" Willi erwiderte: "Owwerlänner mer hots die Sprach verschlaache. Mer soll jo de Kerch e Opfer bringe awwer 2,-- Mack kann ich net gewwe". "Ei Willi hon ich daa 2 Mack in de Klingelbeutel gedaan?" Willi antwortete: "Beschweern kann ich's net, awwer geteuscht hon ich mich bestimmt net, dass ihr 2 Mack geopfert habt". Einige Meter weiter meinte Jakob: "Ich laafe zerick un frohe, ob das Stick ach werklich do drin is. Spitzbuwe gibt's iwwerall". Davon hielt ihn der Willi ab, aber bei künftigen Kirchenbesuchen ließ der Jakob mit einem Spauzer den Klingelbeutel vorbeigehen, denn die 2,-- Mark mussten erst als Vorleistung aufgebraucht sein, bis er wieder opferbereit war.

Der Holz Dieb (Verhandlungen am Nastätter königlich-preußischen Amtsgericht)

In Obertiefenbach lebte ein Mann namens Stotz Im Sommer arbeitete er bei den Bauern, im Winter aber wählte er einen anderen Weg. Er ging in den Wald und richtete es ein, dass ihn der Förster beim Holzdiebstahl ertappte und anzeigte. In Nastättens Gefängnis (Bolles) richtete man sich auf die jeden Herbst sich wiederholende Anzeige und Verurteilung ein. Der Gerichtswachtmeister Sabel sorgte rechtzeitig für Stroh und Reißig für die Erneuerung der Fußmatten. In der Gerichtsverhandlung fragte der Amtsgerichtsrat den Angeklagten ob es stimme, dass er laut Anzeige des Försters Dreschflegelstiele im Wald ohne Genehmigung gemacht habe. Der Angeklagte antwortete "ja Herr Rat, es war'n aach noch e paar Rechegawwele debei".
So ging er dann in den Knast, in sein gewohntes Winterquartier, hackte Holz usw. Die Bollestür war immer offen. Für Wärme, Übernachtung, Essen und Trinken war gesorgt. Im Frühjahr ging er nach Obertiefenbach zurück und nahm seine Arbeit bei den Bauern wieder auf.

Der Zeuge (Verhandlungen am Nastätter königlich-preußischen Amtsgericht)

In Diethardt lebte ein Mann, bekannt unter dem Namen 'Der Schnellläufer'. Hatte Frau Pfarrer in Nastätten etwas zu besorgen, so rannte er so schnell er konnte und brachte das Gewünschte der Auftraggeberin. Eines Tages stand unser Schnellläufer als Zeuge vor Gericht. Es gab ein reges Frage- und Antwortspiel zwischen Richter und Zeuge.
Der Richter: "Was sind Sie?" Antwort: "nix". "Was arbeiten Sie?": "nix". "Von was leben Sie?": "Vom Essen Herr Rat". Der Richter meinte dann: "Das genügt".

Der Jaucheprozess (Verhandlungen am Nastätter königlich-preußischen Amtsgericht)

Der Metzgermeister Karl Abt war angezeigt, Jauche in seine in der Gemarkung Miehlen gelegene Wiese, trotz Sperrung vor der Heuernte, gefahren zu haben. Hierfür erhielt er von der Gemeinde Miehlen eine Geldstrafe von 3,-- Mark, gegen die er Einspruch erhob.
Somit kam die Angelegenheit vor Amtsgericht in Nastätten. Auf die Frage des Amtsgerichtsrats von Ledebour: "Herr Abt, Sie sind angeklagt, Jauche in Ihre Wiese trotz Verbots gefahren zu haben; bekennen Sie sich schuldig?" "Nein" war die Antwort. Nun wurde der Zeuge aufgerufen. Auf die Frage des Richters: "Zeuge, haben Sie den Angeklagten bei der Tat gesehen?" Die Antwort im Miehler Platt: "Gesiiih honn eich en nett, awwer geroche hun eich 's".
Damit war der Prozess geplatzt. Er wurde zudem belehrt, dass im Wiederholungsfalle einer solchen Zeugenaussage, der Zeuge die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.

Pfarrer Kochem und Opferbereitschaft der Gläubigen (kath. Pfarrer in Nastätten)

Die Inflation nach dem 1. Weltkrieg war auf ihrem Höhepunkt. Heute verdientes Geld war über Nacht wertlos. In seiner Predigt dankte er seinen Gläubigen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hätten und wertbeständige Gegenstände in den Klingelbeutel gaben. Er bat jedoch darum etwas Abwechselung in die Opferbereitschaft zu bringen, denn Hosenknöpfe habe er jetzt genug.

Pfarrer Kochem und die Gerstensuppe

Pfarrer Kochem besaß zwei Schafe, die jeden Nachmittag mit Schäfer Philipp's Herde gingen. Es war üblich, dass Schäfer Philipp abwechselnd bei den Mitgliedern des Schafzuchtvereins zum Mittagessen eingeladen wurde. So war auch Herr Pfarrer an der Reihe. Er hatte erfahren, dass Schäfer Philipp gerne 'Gerstensuppe' aß, die dann auch auf dem Speiseplan stand. Dem Philipp war es allerdings nicht angenehm, mit einem solch vornehmen Herrn zu essen. Letztendlich saß Philipp doch an Pfarrer' s Tisch, und beide ließen sich die wohlschmeckende Gerstensuppe schmecken. Auch die Getränke Wein und Schnaps, fehlten bei diesem Festmahl nicht, sie hatten ihre nachhaltige Wirkung nicht verfehlt: Schäfer Philipp hatte größte Mühe seine 'Lieben' zur Weide zu führen, seinen Rausch verschlief er neben seinen Lämmern.

Pfarrer Kochem und das Hündchen

Pfarrer Kochem fuhr im Zug von Lahnstein nach St. Goarshausen. Im Abteil der Klasse 4 saßen meist die Marktfrauen, zu denen er sich gerne gesellte. Er erzählte: Mit misstrauischen Blicken wurde ich beobachtet als wollte man sagen: Was will dann de Parre hie? Unterwegs stieg eine junge Frau mit einem Hündchen zu und nahm im Abteil platz. Weibergekeij'er und lauter Protest: Das geht net, de Hund muß enaus es langt grad, dass de Parre schon hie is, un jezz aach noch en Hund. Pfarrer Kochem aber meinte: Losst doch emol de Hund erin; en klaane Hund kann aach die 'Aanschlee' fresse'. Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.

Pfarrer Kochem und der Afpelwein

Im Pfarrgarten gab's zum Herbst hin reichlich Äpfel, die Pfarrer Kochem zu Apfelwein (ca. 200 Liter) gären ließ. Ich kam von Wiesbaden und ging in Richtung Kirchgasse zur Hochstraße. Das Tor des Pfarrhauses war offen, und Pfarrer Kochem stand in der Tür. Im Vorbeigehen lud er mich nach herzlicher Begrüßung zu einem Glas Apfelwein ein, den er vorher geprüft hatte. Vor dem Fass stehend erklärte er mir: "Waßte, owwe protzelte noch e bisje, awwer unne is e ruhisch, mer könne zappe". Sein Messwein war mit Sicherheit ein anderer.

Nastätter Stimmungsbild

Das Leben in Nastätten war noch gemütlich. In den Sommerabenden saßen die Nachbarn vor der Haustüre und besprachen die Geschehnisse im Städtchen und Neuigkeiten. In den Wirtschaften wurde Skat gespielt, der MGV 'Concordia' probte in der Volksschule (heutiger Robert-Wagner-Patz) und der Turnverein im Saal des 'Hotel Guntrum' (heutige Shoppingmeile), Wilhelm Heidecker versah seinen Dienst als Nachtwächter, sein Wachlokal befand sich im "alten" Rathaus. Zur Polizeistunde machte er seine Runde durch die Lokale, und gebot mit lauter Stimme. "Feierabend". Diese täglichen Wachrunden durch die Wirtshäuser wurden immer mit Schnäpsen bedacht, die nach den Ermahnungen an die jungen Gäste: "Eer Buwe halt mer schee Ruh" zum Auskurieren der Schnapsmüdigkeit im Wachlokal für einen ausgedehnten Beamtenschlaf sorgten. Die Pflicht war erfüllt.

Bürgermeister Wasserlos und der 'Nachtswächter'

Bürgermeister Wasserlos, während des 1. Weltkriegs und danach, Bürgermeister in Nastätten, hatte seinen Wohnsitz im Hause Schmelzeisen. Paul-Spindler-Straße. Jeden Morgen, wenn er das Haus verließ, lag ein großes stinkendes Geschäft auf der Treppe. Wütend über die tägliche Verunreinigung, beauftragte er den Nachtwächter Heidecker den Täter zur Strecke zu bringen. Heidecker patrouillierte vor dem Haus als die Turnstunde ausging. "Hallo Herr Wachtmeister" wurde er von den Turnern begrüßt, die ihn zugleich umringten und mit zweideutigen Fragen überschütteten. Von seiner eigentlichen Aufgabe abgelenkt, musste er nach Abzug der Turner feststellen, dass sich wiederum einer auf Bürgermeisters Treppe verewigt hatte, obwohl er, der Herr Wachtmeister, auch noch dabei war. Der Übeltäter konnte wiederum nicht ermittelt werden. Peinlich, peinlich, beamtliches Missgeschick.

Polizeidiener Wilhelm Seibel (überliefert von meinem Vater)

Um die Jahrhundertwende 1899/1900 war Wilhelm Seibel Polizeidiener im Dienste der Stadt. Gleichzeitig fungierte er als Kassierer des Vorschussvereins (Vereins- u. Volksbank), war Prozessagent und Vorsitzender des Kriegervereins 'Germania' als aktiver Mitkämpfer im deutsch-französischen Krieg 1870/71. In der Rheingaustrasse (Volksmund 'die Gass') wohnte der Bäckermeister Peter Röhrig. Das Haus existiert nicht mehr. Eine hohe Treppe aus Bruchsteinen führte zu dem Hauseingang. Als Seibel Ausschellerdienst versah, stand Peter Röhrig auf der Treppe in einen Wortwechsel mit Seibel verwickelt, der ihn wegen Begehens der gesperrten Wiesen angezeigt hatte. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung ließ sich Röhrig dazu hinreißen, Seibel einen alten 'Bartstreicher' zu nennen. (Seibel hatte einen langen Backenbart, den er gelegentlich strich). Seibel, der sich im Dienst befand, wollte ihn daraufhin wegen Beamtenbeleidigung anzeigen. Da er jedoch Röhrig durch beleidigende Äußerungen zu dieser Feststellung gereizt hatte, ging die Entscheidung vors Schiedsgericht. Nach Anhörung beider Parteien entschied der Schiedsmann, dass Seibel die Kosten zu tragen habe und Röhrig die Beleidigung 'Bartstreicher' im Rhein-Lahn-Anzeiger zurücknehmen müsse. Peter Röhrig begab sich schweren Herzens zum Buchdrucker Müller in der Bahnhofsstraße. um die Zeitungsangelegenheit und Kostenfrage des Widerrufs zu besprechen. Müller sagte zu Röhrig: "Bartstreicher"? Geh heim Peter, das kostet nichts. Wenn de im Herbst dei Stick ackerst, mächste mein klaane Lappe, dee neber der
lieht, grad met".
Erleichtert ging Peter Röhrig nach Hause. Im Rhein-Lahn-Anzeiger stand ein paar Tage später die Rücknahme in besonderer Form: in der größten Schrift 'Der Stadtdiener Wilhelm Seibel ist ein Bartstreicher' in der kleinsten Schrift: 'nehme ich mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück' ,Peter Röhrig. Nun war es Beamtenbeleidigung und die Sache kam vors Amtsgericht. Amtsgerichtsrat Ebel fragte den Angeklagten nach den Gründen für die Verwendung unterschiedlicher Schriftarten. Herr Müller antwortete: Herr Rat, ich wollte die Schwere der Beleidigung besonders herausstellen. Der Gerichtsrat meinte dies sei lobenswert, aber das Gericht kann sich dieser Meinung nicht anschließen. Müller wurde zu 20,-- Mark Geldstrafe verurteilt und quittierte das Urteil mit den Worten: Es ist mir eine Ehre Herr Rat. Der 'Bartstreicher' aber wurde durch das Gerichtsurteil erst recht populär.

Nastätter Vereinsleben (nach dem 1. Weltkrieg)

Nach dem 1. Weltkrieg wurde das Vereinsleben durch Neugründungen von geselligen Vereinen erweitert. Die Prominenz traf sich im Verein 'Frohsinn', der sogar eine Fahne hatte. Der Club 'Fressania' hatte als Mitglieder Leute, die als große '(Fr)Esser', wie Karl Retz (Müllermeister), Karl Oberländer (Metzgermeister), Dr. med. dent. Karl Berhard (Zahnarzt), um einige zu nennen, sogar an einem Abend ein Kalb verzehrt haben sollen. Der Club 'Aurora', der Club der Kleinbürger entstand. Der Club der 'Unfruchtbaren' wurde im Jahr des 'Erdbebens 1919 gegründet, ein etwas seltsamer Club über den nachstehend berichtet wird:

Club der 'Unfruchtbaren'

Präsident war Wilhelm Marner (Vater von Zigarrenmarner; Marner's Eck)
Freitags ging man gemeinsam zur Holzversteigerung nach Meilingen, die übers Wochenende dauerte, um schließlich dienstags nach Nastätten zurück zu kehren. Der Präsident wurde stets im hochrädrigen Kinderwagen transportiert, der von zwei Mitgliedern gezogen und zwei Mitgliedern geschoben wurde. Voraus ging Adam Schmidt (Schäfers Adam) mit einer Drehorgel, auf der 5 Pfeifen keinen Ton erzeugten, sondern nur zischten. So zog man vor das Haus des Präsidenten in der Römerstraße Ecke Bahnhofstraße. "Es werd so lang gespillt, bis ich de Befehl gewwe uffzehään" rief der Präsident; dies konnte lange dauern. Der Zug wurde in gebührendem Abstand von den zwei Nachtwächtern Heidecker und Himmighofen begleitet, um Ruhestörer zur Anzeige zu bringen, was auch prompt nach Auflösung des Zuges geschah. Am Bahnhof war Randale. Sofort eilte Nachtwächter Heidecker in die Richtung, Himmighofen lief zum Rathaus; die Rennerei jedoch war vergeblich, weil der Lärm immer an anderer Stelle entstand. Heimlich hatten sich zwei Mitglieder aus dem Zug entfernt, nahmen ein ca. 500m langes Seil, in dessen Mitte sich eine rostige Gießkanne befand. Diese Konstruktion zog man 'krach-verursachend' in der Römerstrasse hin und her, wobei die totale Dunkelheit den Schelmen entgegenkam.

Der Lokheizer

Wilhelm Marner war als Heizer an der Nassauischen Kleinbahn beschäftigt. Eine schweißtreibende, schwere Tätigkeit. Früh morgens gegen 2 Uhr musste er die Lok anheizen, damit sie um 6 Uhr fahrbereit war. Bei dieser Tätigkeit wurde selbstverständlich auch Bier konsumiert. So kam es, dass er auf dem Heimweg über die Gleise stolperte und sich verletzte. Auf die Hilferufe kam Werkmeister Quandt, der in Nähe des Lokschuppens wohnte, noch schlaftrunken, herbeigeeilt, sah das Dilemma, sagte kein Wort, um dann später offiziell zu bestätigen, dass es ein 'Unfall' war.

Neuigkeiten beim Friseur Albert (es glucksisch Hinkel)

Wilhelm Marner saß wie gewohnt jeden Samstag beim Friseur Albert Spriestersbach, dem Vater von Gustav. Auf die Frage von wartenden Kunden "Was gibt's Neues" antwortete Wilhelm Marner mit ernster Miene: "Ich hon mer in Bettendorf e glucksisch Hinkel gehullt, hons gesetzt un es hot mer 9 Hinkelscher ausgebrieht. Heut morje komm ich in de Stall, do war die Gluck met de Hinkelseher net me do. Ich hon iwwerall gesucht un konnt das Biest netfinne. Uff aamol bin ich ans Telefon gerufe worn, un do hot mich de Berjemaster von Bettendorf gefroot ob ich en Gluck met Hinkelscher vermisse? War das Biest doch met de Hinkelseher in sein alte Hub no Bettendorf gelaafe". Großes Staunen ungläubiges Raunen und tosendes Gelächter über diese Ankündigung. So war er der Marner Wilhelm, das alte Schlitzohr.

Nastätter Alltag in der Kaiserzeit

Am 27. Januar wurde 'Kaisers's Geburtstag' gefeiert. In der Schule führt der älteste Jahrgang ein patriotisches Theaterstück auf. Jeder Schüler bekam einen großen Kaiserbrezel und es war schulfrei. Die Beamten, soweit sie Reserveoffiziere waren, begaben sich in Uniform zum 'Liebesmahl' (Stadtsäckel bezahlte) in das 'Hotel Guntrum'.
Es war eine schöne Zeit, als die Vereine an den Sommerwochenenden oder zu besonderen Anlässen (Vatertag) die Leiterwagen schmückten, und von prächtigen Pferden gezogen, in fröhlicher Stimmung mit Jung und Alt durch das Ländchen fuhren. Auch gab es schon vor dem 1. Weltkrieg Autobesitzer in Nastätten: Kaufmann August Schenck, Robert Lenz, Dr. vet. Brauch, Dr. med. Cathrein und Winterschuldirektor Flaat.
Wenn Dr. Brauch's Dreirad bei Überlandbesuchen hin und wieder versagte, ließ er sich von einem Kuhgespann zum allgemeinen Gelächter der Zuschauer nach Hause ziehen.
Jugendstreiche gab es auch damals. So wurden Straßen- und Firmenschilder trotz Polizeipräsens während der Nachtstunden zur allgemeinen Erheiterung des nachts ausgetauscht.

Erstes Nastätter Schwimmbad Brückwiese

Das erste Schwimmbad wurde ebenfalls 1908 in der Brückwiese gebaut. Die Nass. Kleinbahn AG sowie die Firma Kampf & Spindler -Seidenweberei- unterstützten das Vorhaben mit einem Geldbetrag. Dafür hatten die Mitarbeiter an bestimmten Tagen das Recht der freien Badbenutzung. Die Badeanlage war mit einer hohen Bretterwand nach außen abgeschirmt. Für weibliche Badegäste gab es eine besondere geschlossene Abteilung. Hierzu lieferte die Stadtverwaltung kostenlos das Holz für die spezielle Bretterwand. Die Abstimmung über einen Geldbetrag hierüber wurde im Stadtrat mit Mehrheit abgelehnt, weil die Bauern durch den Schwimmbadbau ihre 'Kritzewäsch' an der Rosenmühle verloren hatten. Der damalige Apotheker Dr. Linz, Mitglied im Stadtrat, stand auf Seiten der Bauern. Im' Wiesbadener Tageblatt' wurde daraufhin berichtet, dass ausgerechnet ein Akademiker im Nastätter Stadtrat Gegner des Badens sei. Dies löste, zur allgemeinen Erheiterung der Nastätter Bevölkerung, ein großes Wortgefecht zwischen Dr. Linz und dem Vorsitzenden des Verschönerungsvereins, Herrn Eduard Schüler, aus.

Erstes Nastätter Schwimmbad im Schwall

Unter Bürgermeister Brüning wurde im Schwall das erste Schwimm- und Freibad gebaut. Erstmals konnten beide Geschlechter gemeinsam baden. Wie zur damaligen Zeit üblich, erhoben sich auch hier Stimmen, die den unmoralischen Zustand anprangerten, dieser Schuss ging jedoch zur Freude aller ins Leere, schließlich freute man sich aufs gemeinsame Schwimmen und Baden.

Nastätter Vereinsleben Beamtensportverein

Im Jahre 1908 wurde seitens der Beamtenschaft des Amtsgerichts Nastätten ein Sportverein gegründet. Der Sportverein hatte von W. Schmelzeisen einen Teil der Fohlenweide gepachtet, wo besonders die weiblichen Mitglieder sich mit Tamburin-Ballspiel vergnügten. Fußballspiel fiel generell aus, da keine Gegner in der näheren Umgebung zur Verfügung standen. Man unternahm häufig Wanderungen, ansonsten tat sich nicht viel; die Hauptsache war, man war unter Gleichgesinnten. Es wäre doch damals unter der Würde eines Beamten gewesen, in einer Turnerriege Übungen auszuführen, dessen Übungsleiter ein Handwerksmeister war.

Maler- und Anstreicher Meister Christian Stüber beim Fürst zu Wied

Christian Stüber hatte den Auftrag an den Besitztümern des Fürsten zu Wied -Kloster Gronau und Schwallschieder Hof- Malerarbeiten auszuführen. Nach Beendigung des Auftrages rief ihn der Amtmann des Fürsten an, lobte seine gute Arbeit, und bat ihn den Lohn im Schwallschieder Hof abzuholen. Christian machte sich auf den Weg. Als er am Blockhaus vorbeikam, warf er einen blick auf das Land und meinte: "Was is de Ferscht vo Wied doch en reiche Mann, do schlaan ich uf die Rechnung gleich noch en Flasch Cognac druff" Am Ziel angekommen begrüßte ihn der Amtmann und bat um die Rechnung. Christian hatte neben der fertigen Rechnung noch ein Leerblatt mitgenommen, und erklärte dem Amtmann, daß er noch einmal alle Maße prüfen wolle, denn er sei gewohnt reell zu arbeiten. Er schrieb die Rechnung neu und erhöhte den Ursprungsbetrag um zwei Flaschen Cognac. Er bekam prompt sein Geld und blickte beim Heimgang am Blockhaus nochmals zurück und sagte so vor sich hin: "Christian du warscht dumm, du hättst noch en Flasch druffschreibe solle, die herre se aach bezahlt".

Maler- und Anstreicher Meister Christian Stüber im Hof Schwall bei H. Hennig

H. Henning beauftragte den Malermeister Stüber das Fachwerk des Hauses 'Hof Schwall' mit Ölfarbe zu streichen. Stüber und sein Geselle E. Weinmann begannen mit den Arbeiten. Zum Werkzeug gehörte auch ein kupferner Kessel. Nachdem die Vorarbeiten erledigt waren, wurde das Fachwerk mit Leinöl gestrichen. Nach kurzem Arbeitsbeginn meinte Christian zum Gesellen Weinmann gewandt: "So geht das nett, mer friehsticke erscht emol. Du meschtst e Feuer un stellst de Kessel met Wasser druff, un waatst bis es richtisch kocht". Als das Wasser kochte, schüttete Christian das Leinöl in das kochende Wasser und sagte: "Jetz awwer schnell enuff un gestrische" Es war alles in Rauch gehüllt und Hennig eilte vom nahegelegenen Feld, weil er glaubte es brenne. Christian belehrte ihn mit den Worten: "Dreifach gekocht Leinöl Herr Hennig, mer wolle grad bei Ihne gut Arwet mache, was glaawe se wie das hält". (Leinöl verbindet sich nur mit Wasser im kochenden Zustand) Zu seinem Gesellen Weinmann sagte er auf dem Heimweg: "Heut honn mer Geld verdient".

Maler- und Anstreicher Meister Christian Stüber und die Zwetschen

Christian hatte im Bucher Pfad ein Grundstück auf dem auch ein Zwetschenbaum mit reifen Zwetschen stand. Eines Tages, es war Erntezeit, stand im Rhein- und Lahnanzeiger unter 'Eingesandt' folgendes:
Diejenigen, welche mir in meinem Grundstück am 'Bucher Pfad' die Zwetschen abgetan haben, seien höflichst bedankt, dass sie mir die Pflanzen nicht zertreten haben.

Sinaro-Brunnen im Schwall

Das Mineralwasser im Schwall wurde vor dem 1. Weltkrieg von der englischen Firma 'Insider Hennig Erben Ldt'. genutzt und unter dem Namen 'Sinaro' auch als Sodawasser nach Indien verschickt. Der Name 'Sinaro' bezieht sich auf eine Verlobungsanzeige des Robert Hennig mit der Jüdin Sina Oppenheimer.
Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges im Jahre 1914, wurde das Werk geschlossen, da es englischer Besitz war. Nach dem Kriege verwaltete der Verwandte des englischen Besitzers H. Hennig die Anlage. Hennig hatte an den Kämpfen der deutschen Schutztruppe Südwestafrika gegen die Hottentotten teilgenommen und kehrte danach nach Deutschland zurück. Er wohnte im Hof Schwall gegenüber dem Mineralbrunnen.

Nastätter Wassersupp

Die Auseinandersetzungen zwischen den lutherischen und reformierten Kirchengemeinden wegen der Kirchenbenutzungsrechte um 1773, war Anlass, Militär zur Schlichtung dieser Streitigkeiten, bei sämtlichen lutherischen Einwohnern einzuquartieren und auch zusätzlich zu verköstigen. Nach Berichten aus der damaligen Zeit, floss auch der Alkohol unter den Soldaten. Statt Kaffee gab es täglich eine morgendliche Hafersuppe. die, je länger die Einquartierung dauerte, von Tag zu Tag, durch Auffüllen mit Wasser, immer dünner wurde. Hier liegt der Ursprung der bekannten volkstümlichen Bezeichnung: ''Nastätter Wassersupp"

Schluss Betrachtung

Das waren Ausschnitte aus vergangenen Tagen. Mit der Fastnacht 1939 endete diese Zeit. Diese Fastnacht war der Höhepunkt einer Gemeinschaft und unvergessen der Faschingszug mit Hans Horn als Prinz Karneval 'Hans I von Grasselstadt'. Ganz Nastätten mit wenigen Ausnahmen war auf der Straße und versäumte keine Veranstaltung und den Höhepunkt in der Narrhalla (Turnhalle) am Abend des Rosenmontag.
Es war die letzte Veranstaltung, bei der in freudiger Stimmung ganz Nastätten sich in Frohsinn vereinte. Wenige Monate später (1. Sept. 1939) begann der furchtbare 2. Weltkrieg und die Zerstörung unserer Heimat.

Mit Freude aber stelle ich als 90-jähriger heute fest, dass dank gemeinsamer, zielbewusster Arbeit der Bürger in Verantwortung der Bürgermeister der Stadt und der Verbandsgemeinde ein Nastätten entsteht, das würdig seiner Vergangenheit von 1100 Jahren, zur Freude der Bürger wachse, und in Zukunft blühe und gedeihe.


Nastätten, im Jahr 1995
Wilhelm Werner

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